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16.11.2013

werkschau thurgau: Kritik am Anspruch

werkschau thurgau: Kritik am Anspruch
Hinweistafel beim Aufgang zum Kunstmuseum Thurgau. | © Brigitta Hochuli

Der heute in Kreuzlingen lebende Thurgauer Künstler Jürg Schoop macht sich im Folgenden Gedanken zur aktuellen werkschau tg der Kulturstiftung. Für eine „glaubhafte Repräsentation“ fehlen seiner Meinung nach wichtige Namen. (red)

Ein mir bekannter, sehr kulturverbundener Mensch hat davon gesprochen, dass das Konzept dieser Thurgauer Werkschau auf den falschen Füssen stehe. Das kann man so sehen, ist aber nicht das eigentliche Problem. Ich halte es für legitim, dass eine Werkschau aus einem Wettbewerb geboren wird, – schon die alten Griechen waren auf der Suche nach dem besten Dichter und besten Flötenspieler.

Wenn Heidi Klum aus 20‘000 potentiell in Frage kommenden schönen, langbeinigen Mädchen deren 20 auswählt, Anwärterin in ihrem Model-Contest zu werden, kann sich die Kulturstiftung gewiss erlauben, aus ca 300 Künstlern «mit Wurzeln im Thurgau» deren gut 50 auszuwählen. Über die Juroren und Jurorinnen wollen wir uns an dieser Stelle nicht auslassen, hat auch nicht viel mit der Sache zu tun. Es sei nur der interessante Hinweis gegeben , dass es dieselben sind (mit Ausnahmen), die die gewählten Künstler schon ausgestellt haben oder Kontakte mit ihnen unterhalten. Voraussetzung für ein einleuchtendes, gefestigtes Resultat in beiden erwähnten Beispielen ist doch, dass die prestigeträchtigen Langbeinigen und die mit Thurgauer Wurzeln Verdächtigen sich auch alle bewerben. Ob Heidi Klum nun die begabtesten Models Deutschlands und die Thurgauer Kulturstiftung die zeitgenössischsten Künstler unseres Kantons präsentiert, darüber kann sich jeder seine eigene Meinung machen.

Es gibt natürlich in unserm Kanton Künstler, die ein Rennen um den guten Platz nicht mitmachen, weil sie entweder die Kunst (wie der Schreibende) nicht für eine Wettbewerbsveranstaltung halten oder weil sie es schlicht und einfach – aus diversen Gründen – nicht nötig haben, an einer solchen Veranstaltung aufzutreten, wie z.B. Christoph Rütimann oder Willi Oertig, die beide im Thurgau leben und arbeiten. Im Gegensatz zu Manchen, die nur eine sehr zarte Wurzel in den Thurgau ausgeworfen haben, die mitunter davon genährt wird, an einem prominenten Ort auftreten zu können, die sich auch darin erschöpfen kann, dass einem der Thurgau überaus gut gefällt, ja sogar Zuneigung vorhanden ist. Ja, welchem Künstler sollte denn der Thurgau nicht gefallen...

Was mir an dieser Veranstaltung missfällt, ist der Anspruch, «einen umfassenden Einblick in das zeitgenössische Thurgauer Kunstschaffen zu geben», eine «kritische Bestandesaufnahme des regionalen Kunstschaffens zu sein, möglichst viele Facetten der aktuellen künstlerischen Produktion sichtbar zu machen.» Potz Tausend! Es fällt auf, dass viele der erkürten Künstler aus der weiteren Region stammen, keineswegs als Thurgauer Künstler zu bezeichnen sind, man war sich wahrscheinlich einig, dass mit den angemeldeten originären Thurgauern in den Augen der Organisatoren zu wenig Staat zu machen ist. Jetzt soll aber etwas sehr «Repräsentatives, bei aller Unvollständigkeit», zusammen gekommen sein. Wie soll denn das gehen?

Für eine glaubhafte Repräsentation fehlt ein Roland Dostal, wahrscheinlich der bedeutendste Künstler, den der Thurgau hervor gebracht hat (um es mal in dieser Sprache zu sagen). Es fehlt Günther Wizemann, ein Pionier der konkreten Kunst, dem der Sinn für solche Ausscheidungen auch etwas fehlt. In Abwesenheit glänzen auch Larry Peters, der leider verstorbene Rudolf Küenzi, das Duo stöckerselig – durchaus mit Beiträgen zum Zeitgenössischen, und alle mit dem Thurgau auf langjährige Weise verbunden. Auch ein Felix Brenner, mit überaus originellem Beitrag, ein Jon Etter fehlen und manch andere auch.

Sind sie alle altbacken und nicht in der Lage, einen zeitgemässen Thurgau zu vertreten? Wenn das Zeitgenössische der kritische Punkt sein soll, dann wünschte ich mir schon eine etwas ausführlichere und tiefer gehende Definition dessen, über die sich diskutieren lässt. Manche wollten sich halt nicht beteiligen, das lässt sich im vorgegebenen System nicht ändern. Das ist aber nicht das Problem. Wenn die «Ostschweiz am Sonntag» apodiktisch titelt «Überblick über die Thurgauer Kunst» so deutet sie einfach das Credo der Veranstalter aus, und das ist, etwas hart ausgedrückt, protegierte Falschmünzerei. Das ist das Einzige, was ich der sonst überaus geschätzten Kulturstiftung ankreide. Die Werkschau Thurgau ist mitnichten eine umfassende Repräsentation einheimischen Kunstschaffens und keineswegs besonders geeignet, wiederholt zu werden.

Jürg Schoop, Kreuzlingen

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