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von Brigitta Hochuli, 24.03.2017

rollen, wellen, federn, hüpfen

rollen, wellen, federn, hüpfen
Zentrum für Musik und Tanz in der Musikschule Kreuzlingen: Omamas vierjährige Enkelin in ihrer vollen Hingabe an den Tanz. | © cf

Von Brigitta Hochuli

Manchmal darf Omama die Enkelin begleiten und zuschauen. Dann ist sie so gerührt beim Anblick der vier- bis sechsjährigen tanzenden Kinder, dass sie den Frühling spürt - auch im Herbst.

Mit glühendem Eifer und einer Begeisterung, die Erwachsenen oft abgehen, besucht das Mädchen zurzeit die Tanz-Grundstufe 2 der Musikschule Kreuzlingen. Ihre Lehrerin Nicole Schärli ist ihr das Grösste. Bewundernd schaut das Kind zu ihr auf, nahezu perfekt ahmt es ihre Bewegungen nach. Omama wundert sich. Einiges sieht nach Gymnastik aus, sie sieht Elemente von Ballett, hört Musik aus Schwanensee oder Gipsy. „Es sind die essenziellen Grundbewegungen drehen, rollen, gleiten, wellen, federn, hüpfen, springen und balancieren zu Musik", erklärt Mirjam Bührer. Die Tänzerin leitet das Tanzzentrum der Musikschule, seit sich Gründerin Sonny Walterspiel 2016 zurückgezogen hat.

Dass Kinder Geschichten lieben, weiss nicht nur Omama. Darauf baut auch der Tanzunterricht auf. Die Enkelin sitzt in einer Blumenwiese und darf ein Schmetterling sein. Doch ach, es nähert sich die Kreuzspinne und packt ihre Füsse. „Lo mi los!", rufen die Füsse und setzen die Tanzgruppe in Bewegung. Die KInder sind jetzt Blumen. Zuerst ganz klein, strecken sie sich, wachsen, wiegen zur Musik im Wind und welken, wenn sie nicht genug Wasser bekommen. (Zeit für die Trinkpause, ein Ritual, das ebenso dazu gehört wie die teilweise ziemlich perfekte Tanzgarderobe.)

                     Twitterbild von Marianne Schäfer (@schaefershf)

Die Enkelin blüht auf wie eine Tulpe, entwickelt Kräfte und Säfte. Sogar Omama lässt sich anstecken. „Tanzen tut allen in jedem Alter gut", sagt Mirjam Bührer. Und: Wichtig seien zwar Körperhaltung und -spannung. Doch sollten sich die Kinder vor allem wohl fühlen. „Uns geht es primär um die koordinativen, bewegungstechnischen, kognitiven und sozialen Fortschritte durch unseren Unterricht."

Wohl fühlt sich das KInd in der Tat. Nach der Tanzstunde hüpft es davon wie ein Heugümper, und es hat Hunger. In einer Woche kommen wir wieder!

 

Mirjam Bührer wörtlich

Unsere Grundstufen 1 und 2 legen die Grundlagen für alle tänzerischen und gymnastischen Stile. Gemäss dem Aufbau von Sonny Walterspiel fahren die Kinder nach der Grundstufe 2 mit dem Tanzsprungbrett fort. Im Alter zwischen 6 bis 7 Jahren können sie verschiedene Tanzrichtungen grundlegend anschauen und sich danach für Ballett, Jazz, TanzAkrobatik, Kreativen Kindertanz oder Flamenco entscheiden. Mit dieser Basis haben die Kinder später, mit 9-10 Jahren, auch die Möglichkeit, HipHop und Breakdance zu machen. Ziel dieses Aufbaus ist, den Tanz erfolgsorientiert zu vermitteln und sorgfältig herauszufinden, welches Kind an welchem Stil am meisten Freude hat und wo die Talente und Interessen liegen.

 

In der aktuellen Gruppe von Omamas Enkelin tanzen ausschliesslich Mädchen. Was ist mit den Buben?

Wir haben neu seit Oktober letzten Jahres ein Bubentraining für 5 bis 7-Jährige eingerichtet. Viele Jungs tanzen sehr gerne, aber es gibt Entwicklungsphasen, in denen es sinnvoll ist, Jungs und Mädels jeweils unter sich trainieren zu lassen.

 

Was kann oder soll bei so kleinen Kindern schon erreicht werden?

Es sollen positive Erlebnisse mit Tanz in einem neuen Gruppengeflecht ermöglicht werden und breite Grundlagen für das Bewegungslernen gelegt werden. Freude und Fortschritte gehören dazu. Fortschreiten wollen empfinde ich als ganz natürlich und wichtig für die Entwicklung der ganzen Persönlichkeit. Gesundes Fortschreiten kann auch losgelöst von überhöhten Ambitionen stattfinden. Bei diesem Prozess ist die Lehrperson ein wichtiger Teil, sie begleitet und sieht die kleinen und grossen Fortschritte. Es ist wichtig, Idole und inspirierende erwachsene Menschen ausserhalb der Familie zu haben.

 

Wieviele Kinder bleiben nach dem Grundkurs "bei der Stange"?

Ziemlich viele, mindestens Dreiviertel. Und wenn Sie abspringen, dann liegt das oft an der Stundenplanung, die leider manchmal mit der Freizeitplanung kollidiert. Wir haben 14 Tanzlehrer und 50 Unterrichtsstunden auf fünf Tage und zwei Studios zu verteilen. Das ist ein ziemlicher Jonglage-Akt, wo Einzelkollisionen mit anderen Hobbys von Schülerinnen und Schülern leider nicht immer beachtet werden können.

 

Gibt es Wunderkinder?

Es gibt einzelne Kinder, die ausschliesslich nur im Tanzen aufblühen, die gar nichts anderes interessiert und die extrem talentiert sind. Da würden wir dann in der Tanzsprungbrett-Stufe (wenn die Kids 6 bis 7 Jahre alt sind) das Gespräch mit den Eltern suchen. (ho)

 

mir-jam.ch

 

 

Bernhard Weber: „Visionen dürfen sein"

Präsident der Musikschule Kreuzlingen (MSK) ist der Prorektor der Pädagogischen Maturitätsschule, Bernhard Weber. Die Tanzabteilung sei 2011 zur Musikschule gestossen, erklärt er auf Anfrage. „Es war eine Verbindung der privaten Tanzschule von Sonny Walterspiel, die mit der MSK fusioniert wurde." Das Zusammenleben von Tanz- und Instrumentalabteilung sei nicht immer nur einfach, aber es gelinge zunehmend, die Synergie zu nutzen und damit etwas Neues zu schaffen.

 

Die Philosophie dahinter...

... sei, dass Musik nicht nur aus Instrumentalunterricht bestehe, der zudem (auch) an der MSK traditionell klassisch ausgerichtet gewesen sei, sondern viel mehr dazu gehöre. Eben zum Beispiel Musik und Bewegung.

 

Und die Zukunft?

„Die MSK möchte noch mehr als lebendiger und wichtiger Kulturträger in Kreuzligen wahrgenommen werden", sagt Bernhard Weber. „Uns schwebt vor, dass wir ein Zentrum werden, für alles, was mit Musik zu tun hat." Im Vordergrund stehe dabei natürlich die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen, „aber wir möchten die Gruppe der Erwachsenen nicht aus den Augen verlieren." Instrumentalunterricht und Tanz könnten zudem gerade in einem Musical sehr schön verbunden werden. Und damit würde auch noch das Element Theater einbezogen. Die Schulleitung und die Lehrpersonen planten ein Projekt in diese Richtung.

 

Hat der Präsident eine Vision etwa im Zusammenhang mit dem Bau eines Kulturzentrums in Kreuzlingen?

„Ja, Visionen dürfen sein. Mein Traum wäre ein Kulturzentrum, in dem auch die Musikschule - mit Tanz, Instrumenten, Ensembles, Theater - integriert wäre. Ein Begegnungsort mit Beiz und Aufführungen." Der zuständigen Stadträtin Dorena Raggenbass hat Weber jedenfalls schon davon vorgeschwärmt. Im Moment sei man an der Musikschule aber noch mit dem Klären der Strukturen und mit der Verbesserung der Kommunikation beschäftigt. (ho)

 

Nächste Events für, von und mit der MSK:

- 29.03. Gemeinsamer Aufführungsbesuch „Urban Delight" im Phönix Theater Steckborn
- 27.04. Gemeinsamer Aufführungsbesuch „Bachelor Contemporary Dance" im Phönix Theater Steckborn
- 08.04. Auftritt der M-S-K Dance Company im Rahmen der Kunstnacht, im Seemuseum (Gewölbekeller)
- 13.05. Tag der Offenen Tür
- 14.06. HipHop Culture: Workshops und Show mit Kultur Psychiatrie Münsterlingen

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